Zwei “ Greenhorns“ bei der Rallye Monte Carlo Historique 2020 – Eine subjektive Betrachtung von Fahrer Wolfgang Heinz.

14. Mai 2020 | News

Für einen ehemaligen feuerfesten Rallyefahrer ist die Monte als Regularity-Rallye schon immer ein Traum gewesen, so auch für mich. Das jahrelange Verfolgen der ZR-Zeiten auf der HP des ACM von Deutschen Teams, aber auch von mehrmaligen Gewinnern der Monte, brachte jedes Mal Zuckungen auf meine Stirn: Wie machen die das, bei Schnee oder trockener Strecke – so wenige Strafpunkte? Oder aber auch das Sinnen: Was ist da passiert- so viele Strafpunkte? Nun ergab sich für mich die Möglichkeit im schon gesetzten Alter einmal selbst mitzufahren.

Mit meinem aus der europäischen Oldtimerszene bekannten MB 280 SLC war das wegen der tiefen Lorinser Frontschürze und den Seitenschwellern nicht möglich – obwohl die Anhängerkupplung im Heck hätte vielleicht bei Schnee bergauf gut geholfen… Nun der Kreislauf schloss sich und ich kaufte mir 2019 von einem Hessen einen unverbastelten und nie im Motorsport aktiven weißen RS 2000 MK II aus dem Jahre 1979 – eigentlich nur, weil ich so einen in den 70er Jahren auch im Rallyesport unter dem Hintern hatte. Aber der hier sollte für „schön“ gehalten werden…… Gesagt getan: Zuerst wurde auch bei meinem damaligen Händler Hissler der mitgelieferte Bügel eingebaut, dann eine Hinterachse mit ordentlicher Sperre, gute Bremsen, größerer Kühler, Lichtmaschine, Anlasser etc., und nun?? Bevor ich wegen meines Alters mit einem AOK-Schopper unterwegs sein muss – sollte ich doch mal die Mutter aller Oldtimerrallyes fahren!

Bei der Suche nach einem erfahrenen Copiloten aus der deutschen Oldtimerszene und mit Auslandserfahrung war ich dann recht flott erfolgreich: Den hessischen Italiener Rolf Pellini mailte ich an und er war erschrocken wegen meiner diesbezüglichen Anfrage. Meine Mail im Original: Hallo Rolf, ich bin am überlegen, die Rally Monte Carlo Ende Januar 2020 zu fahren. Hättest du Interesse, mein Co zu sein? Wir sollten mal darüber reden, falls Du zu mir in einen Escort RS 2000 mit 185 PS einsteigen willst….Seine Antwort: Hallo Wolfgang, da muss ich aber schlucken, was für eine Ehre, dass Du mich dafür in Betracht
ziehst!!!!! Ich fahre ab morgen eine Woche „gen Italien“…. Grundsätzlich kann man ein solch „unmoralisches Angebot“ nicht ablehnen. Das heißt im Klartext, dass ich gerne dabei bin. Lass mir aber bitte noch eine Woche Zeit – ich sollte dies auch zu Hause absprechen/besprechen. Ich melde mich wieder. Bei einem Chianti oder so hat er dann alles mit der Familie besprochen und so kamen wir zusammen.

Unsere erste Veranstaltung als Monte Test war die 1. Ostbelgien Classic rund um Eupen bei Aachen. Eigentlich als Regularity-Event ausgeschrieben, musste das Team hier aber Sollzeit und Gleichmäßig fahren können, aber auch Kartenlesen und undeutige Chinesen deuten. Und das mit Schnitten, die teilweise nur mit Bestzeit zu bewältigen waren… Fazit: 2 Knöllchen für ein deutsches Team, ein Knöllchen für uns…. Nun: Wir wurden nach ein paar Klöpsen 9. im Gesamt und Klassensieger bis 2000 ccm. Das war unsere erste gemeinsame Veranstaltung und nun sollte die Monte folgen!

Dank der umfangreichen Tipps aus Kreisen des HRRT war die Vorbereitung für uns schon einfacher. Auch der Hinweis, dass dieser neumodige Crisartech unbedingt in unseren Wagen gehörte – Rolf kaufte den und war begeistert. Morgens bei der Fahrt in die Firma wurde der in den Smart von Rolf angestöpselt und auf Herz, Nieren, Blutgruppe, Gängigkeit, Bedienungsfreundlichkeit und Zuverlässigkeit geprüft. PS: So etwas von Digitalisierung und NASA-Technik hate der Fahrer noch nie im Auto. Auch wurden wir inzwischen mit der St. Nr.
193 vom ACM aufgenommen und waren Starter im HRRT-Team.

Wenige Tage vor der Abfahrt nach Bad Homburg gab es im Autohaus Hissler eine tolle Farewell – Party mit rund 50 Fans des aktuellen aber auch historischen Sports. Losheim am See hat seit den 70er Jahren einen hohen Bezug zum Rallyesport. Saarland-Rallye, Rallye Deutschland oder auch Kohle & Stahl waren jahrelang hier beheimatet.

Doch nun zum sportlichen Teil: Ausgerüstet mit gebrauchten Spikes und hoffentlich tauglichen neuen Winterreifen ging es dann am Freitag ab der Bad Homburger Startrampe in Richtung Südfrankreich.

In Langres gab es mitten in der Nacht, und mit hunderten von Zuschauern, eine erste Verschnauf- und kleine Schlafpause von ca. 3 Stunden, inklusive hunderten von Fans und dem Eintreffen der KollegInnen aus Reims.
Unser Serviceteam Thomas Schulz und Peter Schillo folgte uns mit Hänger dorthin und würde uns bis zum Zieleinlauf als zuverlässige und technisch versierte Crew begleiten. Top-Catering inklusive.

In Buis les Baronnies erfolgte in strömendem Regen der Einbau des GPS-Messystems und nur kurz Zeit später standen die ersten beiden ZR´s auf dem Programm. Jede Menge Teams suchten bei der Anfahrt zu ZR 1 den hervorragend ausgeschilderten Tripcheck….

Für uns erstaunlich, konnten wir auf den ersten beiden Prüfungen erste Akzente setzen, denn im ersten Ergebnis waren wir nach den zwei Auftaktprüfungen 21. im Gesamtklassement. Aber nun folgte, wie für uns alle, das Zeitnahme Drama. Für den einen mehr, für den anderen weniger…. Was und Wer hat den ACM da geritten? So what? Unser Wagen lief über alle Tage ohne technische Probleme, nur Tanken und ein Reifenwechsel auf unsere Toyo Semislicks nach 10 ZR´s waren angesagt.

In Valence war unser Hotel Dank HRRT nah des Serviceparks und der Start jeden Morgen war ab dort als 21., was für die weiteren Prüfungen sehr von Vorteil war. Auf ZR 9 fuhren wir auch noch alle Messpunkte mit Null. Und einem Team musste ich mit Hupzeichen über hunderte Meter bergab klar machen, dass Beide doch nun bitte auf die Seite fahren sollten. Diese Szene war auf Youtube zu sehen und einige Bekannte haben das online verfolgt. Chat: Wolfgang ich wusste bisher nicht, dass ich so einen Verkehrsrowdy kenne…… Aber nun: weiter so! Mit dem für uns sensationellen 34. Platz im Gesamtklassement liefen wir am Dienstag in Monaco ein. Wir wollten diesen 34. Platz eigentlich vor den beiden letzten Prüfungen so behalten. Das war das Ziel, denn alle sagten voraus, dass sich bei den letzten beiden ZR´s das Ergebnis komplett wandeln könne. Beim Zieleinlauf am Hafen von Monte Carlo war uns nicht bewusst wie die beiden letzten ZR waren, keiner wusste die Ergebnisse.

Trotz der angepriesenen App des ACM waren die Ergebnisse für alle nur sehr verspätet online und ein Anruf aus dem Saarland gegen 1.30 Uhr Dienstagnacht brachte Licht ins Dunkel: Mit 2 Topzeiten katapultierten wir uns von Platz 34 auf Platz 17. im Endklassement. Welch eine Nachricht für uns Greenhorns nach rund 3.000 km Streckenlänge, 15 Regularity-Prüfungen, 41 Col-Überquerungen mit 31 Zeitnahmen und Dutzenden von schwierigen Haarnadelkurven rechts oder links. Wir stellten am Crisartech nichts um, fingen teilweise auch jede Menge ominöse Strafpunkte und wanderten in der Tabelle des Gesamtklassements von oben nach unten. Rolf hatte dieses Thema souverän im Griff. Apropos Rolf: Wenn ich überlege, dass er noch nie in seinem Leben einen Rallye-Aufschrieb für unübersichtliche Kurven machen musste, diese Angaben mir dann passend bei dem entsprechenden Kilometer vorlas, teilweise mit mir auf Bestzeit in den Seealpen unterwegs war, immer Zeit für ein Victory-Zeichen an alle fünftausend Fotografen hatte, jedem einzelnen Marshall „ Thanks for your Marschalling“ zurief und was noch alles – einfach ein toller Job, DANKE Rolf !!!!!

Unsere Zeitenanalyse ergab: 99-mal mit Null und 100-mal mit einer Sekunde Differenz – wir waren nicht schlecht beim ersten Auftritt. Die obligatorische Hafenparty des Historic Rally & Racing Teas Germany durften wir dann zum ersten Mal erleben – Danke für den tollen Teamspirit des HRRT auch Mitten in der Nacht!!

Analyse von WH: Als erstmaliger Teilnehmer an der Monte fehlt mir natürlich der Vergleich zu vorher. Die Prüfungen waren zum Gleichmäßig Fahren für mich eigentlich ideal, im Vergleich zur Ypern Regularity mit ihren vielen Spitzkehren und Feldwegen eine Wohltat. Die Siegerehrung soll ja sehr flach gewesen sein. Unser aufwendiges Abfahren kurz vor Weihnachten war sicherlich für die erste Teilnahme ganz wichtig, Video-Aufnahmen inklusive.
Die super Platzierungen in der letzten Nacht , ein perfekt vorbereitetes Fahrzeug, eine tolle Service-Crew, das harmonische Zusammenspiel zwischen Rolf und mir sowie innerhalb des HRRT Teams, das Daumendrücken aus der Heimat und der Familie, waren einige der Gründe, warum wir als „Greenhorns“ und Erstteilnehmer so erfolgreich waren.

Zu guter Letzt: Die „Welcome back from Monaco Party“ musste wegen der bekannten Probleme abgesagt
werden.
Aber die ist nur aufgeschoben. Das Interesse an unserer Teilnahme an sich, in den Medien, ob Print, TV oder online war für mich unglaublich und habe ich in meiner Karriere so noch nicht erlebt. In so einem kleinen Dorf wie Losheim am See, wie viele Leute da unsere Mitfahrt verfolgt haben, uns die Daumen gedrückt haben, auf die Ergebnisse gewartet haben, mir jetzt immer noch gratulieren – einfach sensationell. Und das nicht nur von Leuten mit einer Affinität zum Thema Oldtimer! In einem 36-seitigen Heft gibt es eine Nachbetrachtung mit Bildern und Texten – bei Interesse schickt einfach eine Mail an mich.

Schon jetzt spreche ich die Einladung an alle HRRT`ler aus: Ihr seid zur Party eingeladen, Termin kommt über Rudi! Bis dahin ist die Pandemie vorbei und das Leben geht wieder weiter.Und auch das Rennen in Zweibrücken ist für eine geschlossene HRRT-Gruppe von mir reserviert! Versprochen!

Vorausschauend auf die nächstjährige Monte habe ich noch keinen Plan (Stand 1.5.2020) mal sehen…. Obwohl – Gründe zur Teilnahme gäbe es genug: Besser als in diesem Jahr sein (schwierig), endlich mal im Schnee fahren (wer kann das garantieren?), Karsten schlagen (eigentlich unmöglich), wiederum mit dem gigantischen Echo aus der Heimat rechnen (denkbar), im gleichen Hotel schlafen und nicht jeden Morgen pünktlich um 8 Uhr von Presslufthämmern geweckt werden ( Unwahrscheinlich denn Großbaustellen dauern wohl länger), unseren Söhnen beweisen können, dass die Platzierung vom Papa kein Zufall war (dann muss ich noch 20 Jahre mitfahren…) ….oder so irgendwas.

Dieser Erfolg und der 17. Platz hat aber auch zur Folge, dass wir einen hohen Geldbetrag für soziale Zwecke in der Gemeinde Losheim stiften konnten. „Für jedes Team, welches wir hinter uns lassen, stiften wir € 5 für einen sozialen Zweck“ das war die Aussage von Rolf und mir vor dem Start. Nun ist fast das Maximum an Geld “erfahren“ worden und rund 1.500 € stehen von uns zur Verfügung.

Die Losheimer Firma EXTRA-HAUS fand diese Idee vor der Abfahrt nach Monte Carlo so gut und sozial, dass die beiden Geschäftsführer Achim Holz und Markus Heinz versprachen, den gleichen durch uns erreichten und zur Verfügung gestellten Betrag zu verdoppeln. Aber damit nicht genug: Auch das Historic Rally & Racing Team Germany stiftete Geld für den guten Zweck aus der Vereinskasse. Dafür Dank an Rudi und alle HRRT`ler. Das Geld ging an die Jugendarbeit eines der größten Turnvereine im Saarland, den TV Losheim. Und an die DLRG Losheim für das betreute Kinderschwimmen im Losheimer Hallenbad. Last but not least an die Losheimer Tafel, die dieses Geld in diesen Zeiten ebenso dringend benötigt.

Abschließend mein Dank an alle HRRT´ler, dass wir als Neulinge so eine tolle Unterstützung fanden und nicht zuletzt durch das profunde Wissen von Teilnehmern aus der Runde einige Insidertipps für eine erfolgreiche Teilnahme bekommen haben.

€ 3.300 konnte ich im Beisein des GF Achim Holz (li.) und Bürgermeister Harth für soziale Zwecke in der Gemeinde Losheim übergeben.